Die Einzelfallvergütung ist eine Ausnahmeregelung, die einen möglichst raschen Zugang zu dringend benötigten Arzneimitteln ermöglicht, die nicht in der Spezialitätenliste (SL) aufgeführt sind. Bei der Einzelfallvergütung entscheiden die Krankenversicherer, ob sie die Kosten eines Arzneimittels übernehmen.
Eine Evaluation des BAG im Jahr 2020 hat gezeigt, dass gleich gelagerte Fälle von den Krankenversicherern ungleich beurteilt werden. Zudem sind die aufwändigen Preisverhandlungen und die fehlende Transparenz bei der Einzelfallvergütung als problematisch eingestuft worden. Mit der Anpassung der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) und der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV), die am 1. Januar 2024 in Kraft tritt, führt der Bundesrat einheitliche Regeln für die Nutzenbewertung, die Preisfestsetzung und die Versorgungssicherheit ein.
Damit alle Patienten gleich behandelt werden, sind Krankenversicherer neu verpflichtet, das gleiche Nutzenbewertungstool (OLUTool) anzuwenden, und es wird ihnen erlaubt, gemeinsame Nutzenbewertungen vorzunehmen. Damit soll die Ungleichbehandlung zwischen den Krankenversicherern reduziert werden. Zudem müssen Vertrauensärzte vermehrt Fachexpert:innen bei der Nutzenbeurteilung einbeziehen. Wenn Kostengutsprachegesuche abgelehnt werden, sollen die Krankenversicherer den Entscheid gegenüber den behandelnden Ärzt:innen sowie den Patient:innen neu immer anhand der jeweils durchgeführten Nutzenbewertung begründen müssen. Damit erhöht sich die Transparenz der Entscheide.
Der Bundesrat passt auch die Preisfestsetzung bei der Einzelfallvergütung an. Dabei orientieren sich die Preise an der Höhe des Nutzens. Neu werden verbindlich fixe Preisabschläge zum Auslandpreis oder zum Preis der SL je nach Nutzenkategorie festgelegt. Es wird somit eine einheitliche und transparente Preisfestsetzung etabliert, was zu einer erheblichen Beschleunigung der Abläufe führt. Generika, Biosimilars sowie sehr kostengünstige Arzneimittel sind von dieser Regelung ausgenommen, damit die Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Diese Massnahmen sind kostenneutral.
Mit der Revision der KVV und der KLV will der Bundesrat das Einsparpotenzial von Generika und Biosimilars erhöhen und deren Einsatz fördern. Einerseits passt er die Preisbildung von gewissen Generika und Biosimilars an (siehe Faktenblatt). Andererseits erhöht er beim Bezug teurer Originalpräparate den von den Patient:innen zu zahlenden Selbstbehalt. Dieser beträgt grundsätzlich 10 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten. Wenn Arzneimittel im Vergleich zu wirkstoffgleichen Arzneimitteln zu teuer sind, werden sie aktuell mit einem Selbstbehalt von 20 Prozent statt 10 Prozent belegt. Neu erhöht nun der Bundesrat diesen «erhöhten» Selbstbehalt auf 40 Prozent.
Wenn medizinische Gründe gegen die Abgabe eines Generikums sprechen, kann weiterhin ein teureres Originalpräparat ohne erhöhten Selbstbehalt bezogen werden, aber das muss neu mit konkreten Fakten nachgewiesen werden.
Die neuen Regeln zum differenzierten Selbstbehalt gelten auch für Biosimilars. Damit wird für die Versicherten der Anreiz geschaffen, vermehrt günstigere Generika und Biosimilars zu beziehen. Die Massnahmen dürften zu einer Kostensenkung von rund 250 Millionen Franken jährlich führen.
Das dritte Massnahmenpaket umfasst Massnahmen zur Prozessoptimierung bei der Aufnahme von Arzneimitteln in die SL. Damit will der Bundesrat den Zugang zu lebenswichtigen Arzneimitteln und zur Behandlung seltener Krankheiten beschleunigen.
Die Pharmaunternehmen erhalten neu für lebenswichtige Arzneimittel, für Arzneimittel zur Behandlung seltener Krankheiten sowie für sehr komplexe Gesuche die Möglichkeit, mit dem BAG eine Vorabklärung durchzuführen («Early Dialogue»). Dies ermöglicht es ihnen, schon vor Einreichung des Gesuchs eine erste Einschätzung des BAG zu erhalten. Dadurch können lange Diskussionen vermieden und die Aufnahme in die SL beschleunigt werden.
Um den frühestmöglichen Zugang zu diesen Arzneimitteln zu ermöglichen, wird zusätzlich eine frühe Gesuchseinreichung («Early Access») eingeführt. Dadurch können die Marktzulassung durch Swissmedic und die Vergütung mit Aufnahme in die SL gleichzeitig erfolgen bzw. die Prozesse von Swissmedic und BAG können parallel verlaufen. Für die Aufnahme auf die SL können so bis zu drei Monate eingespart werden und die Aufnahme in die SL kann ohne Verzögerungen gleichzeitig mit der Marktzulassung erfolgen.
Beitragsbild: Canva.com