Sicherlich werden alle Betroffenen gut versorgt, denn wir haben in der Schweiz ein qualitativ hochstehendes Rettungswesen. Es gibt jedoch Punkte, die wir in der Notfallerstversorgung besser machen könnten, wenn wir es wüssten.
Wenn beispielsweise bei einem Patienten die Lunge verletzt ist und Luft zwischen Lunge und Rippenbogen gelangt, sollte der Patient bei Kreislaufinstabilität entlastet werden. Wir wissen aber vielfach nicht, wie viele der Patient:innen, die wir in Spitäler einlieferten, eine solche Verletzung hatten bzw. wie viele wir hätten entlasten müssen und zwar weil wir nur in seltenen Fällen von den Spitälern eine Rückmeldung zum weiteren Verlauf erhalten. Wir kontrollieren zwar viel in unserem eigenen Betrieb, vieles können wir aber nicht kontrollieren, weil wir es nicht wissen bzw. keinen Zugang zu den notwendigen Informationen haben.
In der Schweiz gibt es 85 vom Interverband für Rettungswesen (IVR) anerkannte Rettungsdienste. Dabei handelt es sich um kantonale, spitalgebundene und private Rettungsdienste. Hinzukommen mehrere Luft-Rettungsdienste. Anerkannte Dienste müssen gewisse Kriterien erfüllen, wie zum Beispiel das Einhalten von Hilfsfristen.
Die fachliche Leitung muss durch einen Notarzt SGNOR sichergestellt sein (ärztiche Leitung) sowie durch einen ein Rettungssanitäter HF (betriebliche Leitung). Vorgeschrieben ist beispielsweise auch die genaue Zeiterfassung, wie lange wir am Unfallort sind und wann wir im Spital ankommen. Das sind eigentlich gute Voraussetzungen für Qualitätsarbeit.
In diesem zentralen Bereich haben wir noch Verbesserungspotenzial. Die Daten der Rettungsdienste werden von den Spitälern in das Schweizer Traumaregister eingegeben. Wir Erstversorger sind dabei also nicht direkt involviert, umgekehrt erhalten wir keine Rückmeldung, ob oder warum wir etwas nicht gut gemacht haben oder ob ein Patient verlegt werden musste. Die Medizin scheint erst bei der Spitaltüre anzufangen.
Wenn wir einen Patienten ins Spital gebracht haben und zwei Tage später wissen möchten, was er hatte, wird uns diese Information immer häufiger mit einem Verweis auf den Datenschutz vorenthalten. Manchmal ist dies natürlich auch sinnvoll, aber nicht in jedem Fall. Denn um zu lernen, besser zu werden und letztlich eine effektive medizinische Qualitätskontrolle betreiben zu können, brauchen wir das Wissen bezüglich Diagnose und Outcome der Patient:innen.
Eine Möglichkeit wären klare medizinische Vorgaben und rechtlich verbindliche Register. Dadurch würde ein geregelter Datenaustausch erst möglich. Es wäre also wichtig, Daten gemeinsam besser zu nutzen und dabei auch die Rettungsdienste in die Pflicht zu nehmen. Wenn sie dann das Verbesserungspotenzial kennen, können sie ihre Leitlinien anpassen. Das ist ja die Grundidee eines jeden systematischen Qualitätsmanagements.
3. Europäische Unfallrehabilitations-Tagung Bellikon 2022
Trauma-Netzwerke: Der Einbezug der Unfallreha fehlt
An der 3. Europäischen Unfallrehabilitations-Tagung Bellikon wurden verschiedene Aspekte der Qualitätskontrolle und die Stärken und Schwächen schweizerischer Trauma-Netzwerke thematisiert. Die Exponent:innen waren sich einig, dass eine stärkere Einbindung der komplexen Unfallrehabilitation in diese Netzwerke nach klaren Spielregeln matchentscheidend ist. Hierzu benötigt es bindende Qualitätskriterien, die als Legitimation zur Behandlung von schwer- und mehrfachverletzten Traumapatient:innen fungieren. Dr. Gianni R. Rossi, CEO der Rehaklinik Bellikon und designierter CEO der beiden Suva-Kliniken in Bellikon und Sion, meinte dazu: «Die Kliniken der Suva in Bellikon und Sion setzen
sich seit Jahren für eine klare Ausprägung von Qualitätsstandards in der komplexen Unfallrehabilitation ein. Ein Vorwärtsschreiten in diesem Feld würde auch die Stärke und die Qualität unserer Trauma-Netzwerke weiter steigern.»
Beitragsbild: Rettungseinsätze sind Teamwork – Rettungssanitäter und Notärzte versorgen einen Patienten vor Ort. (Foto: Rettung Basel-Stadt)