Die am 1. Januar 2009 in Kraft gesetzte Revision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) verfolgt das Ziel, das Kostenwachstum im stationären Spitalbereich zu bremsen. Dafür soll insbesondere die Transparenz der Kosten und der Finanzierung im Spitalbereich erhöht und der Wettbewerb der Spitäler gestärkt werden.
Der Gesetzgeber hat folgerichtig mit dieser Revision im Art. 49 Abs. 3 KVG festgeschrieben, dass die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) bezahlten Leistungen keine gemeinwirtschaftliche Leistungen (GWL) enthalten dürfen. Hierzu gehören die Aufrechterhaltung von Spitalkapazitäten aus regionalpolitischen Gründen und die universitäre Lehre und Forschung (uL+F), die in diesem Zusammenhang im Gesetz explizit erwähnt sind.
Die Kritik an den GWL kommt aktuell aber nicht daher, dass die Kantone den Spitälern zu wenig GWL gewähren und diese damit über die OKP finanzieren lassen. Im Gegenteil, es wird kritisiert, dass die öffentlichen Spitäler als Hauptempfänger zu hohe GWL erhalten und damit der Wettbewerb zwischen privaten und öffentlichen Spitälern verzerrt wird.
Eine Ecoplan-Studie hat im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) die Daten zu den GWL bei den Spitälern und Kantonen erhoben. Von den 26 Kantonen haben vier Kantone keine Daten und zwei Kantone nur aggregierte Daten geliefert.
Die 22 teilnehmenden Kantone haben 2016 GWL im Umfang von 1,17 Milliarden Franken an die Spitäler geleistet. Dabei ist die Bandbreite zwischen den Kantonen sehr gross: Von knapp 100 Franken pro Patient im Kanton Zug bis zu 4000 Franken im Kanton Genf. Die GWL der vier an der Studie teilnehmenden Kantone mit Universitätsspitälern (Genf, Basel-Stadt, Bern und Zürich) fokussieren stark auf die universitäre Lehre und Forschung (uL+F) und die Weiterbildung.
Vom Total der GWL entfallen allein 56 Prozent auf die uL+F und Weiterbildung. Rund 9 Prozent der gesamten GWL werden für ambulante Leistungen bezahlt, also für nicht kostendeckende Tarife im spitalambulanten Bereich. Mit 8 Prozent haben die GWL für Notfall und Rettung ebenfalls einen bedeutenden Anteil. Die restlichen 27 Prozent der GWL sind Vorhalteleistungen, diverse Dienstleistungen und regionalpolitisch motivierte GWL. Letztere spielen aber keine dominante Rolle und werden nur in vier Kantonen explizit ausgewiesen, nämlich in den Kantonen Graubünden, Luzern, Nidwalden und Obwalden.
Die öffentlichen Spitäler erhalten Beiträge für GWL im Umfang von rund 1600 Franken pro Patient. Die GWL-Beiträge an die rein privaten Spitäler belaufen sich dagegen nur auf 100 Franken pro Patient. Die privaten, aber öffentlich kontrollierten Spitäler liegen dazwischen. Die GWL-Beiträge gehen somit hauptsächlich an öffentliche oder öffentlich kontrollierte Spitäler – dies auch als Folge der hohen GWL-Beiträge an die uL+F sowie an die Weiterbildung.
Wenn die GWL-Kosten sachgerecht abgegrenzt sind, verzerrt die Finanzierungstätigkeit der Kantone die OKP-Tarifermittlungsrelevanten Kosten nicht. Bei einer sachgerechten Abgrenzung der GWL ergäben sich somit keine kurzfristigen, «statischen» Wettbewerbsverzerrungen zwischen Spitälern mit und ohne GWL. Die grosse Mehrheit der befragten Kantone (18 von 22) und auch die Mehrheit der Spitäler (71 von 112) sind der Meinung, dass diesbezüglich keine Probleme bestehen. Diese Einschätzungen sind allerdings empirisch nicht belegbar, da es keine einheitliche Definition und keine einheitliche Methode zur Erfassung und Bewertung der GWL gibt. Die uneinheitliche Definition der GWL erschwert nicht nur den interkantonalen Vergleich, sondern kann auch zwischen den Kantonen zu Verzerrungen führen.
Die Ecoplan-Studie konnte den Informationsstand zu den GWL verbessern, aber keine vollständige Transparenz herstellen. Aufgrund der kantonalen Heterogenität in Bezug auf die vergüteten GWL ist die Vergleichbarkeit zwischen den Kantonen eingeschränkt und nicht alle Kantone haben ihre GWL-Daten offengelegt.
Eine kantonsübergreifende, einheitliche Definition der GWL könnte die Transparenz deutlich verbessern. Mit einer einheitlichen Methode zur Erfassung und Bewertung der GWL könnten direkte, «statische» Wettbewerbsverzerrungen zwischen Spitälern mit und ohne GWL vermieden werden. Eine einheitliche Definition und Methodik würde zwar eine sachgerechte Abgrenzung sicherstellen, aber noch nicht garantieren, dass die GWL auch effizient erbracht werden. Die kantonale Finanzierung von nicht effizient erbrachten GWL kann sich strukturerhaltend und letztlich auch kostensteigernd auswirken und den Wettbewerb zwischen den Spitälern aus einer längerfristigen, «dynamischen» Sicht verzerren. In Bezug auf diesen dynamischen Aspekt sind die Kantone bei der Beschaffung von GWL gefordert. Sie könnten zumindest einen Teil der GWL, z. B. für Notfall und Rettung, öffentlich ausschreiben.