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4. Februar 2022

Focus Impfungen

Ethik

Impfpflicht für das Gesundheitspersonal?

Die von vielen Seiten geforderte Impfpflicht in der COVID-19-Krise für das Gesundheitspersonal wirft die Frage nach einem angemessenen Verhältnis zwischen Verantwortung und Zwang auf.
Competence Ruth Baumann-Hölzle

Autorin

Dr. Theol.

Ruth Baumann-Hölzle

Institutsleitung Stiftung Dialog Ethik, Expertin für Ethik im Gesundheits- und Sozialwesen

rbaumann@dialog-ethik.ch

In der aktuellen Krise fordern verschiedene Akteure für das Gesundheitspersonal eine Impfpflicht gegen COVID-19, aber auch gegen die alljährlich wiederkehrende Grippe. Sie begründen diese Forderung mit der erhöhten Verantwortung des Gesundheitspersonals gegenüber den besonders vulnerablen Menschen, die sie behandeln und pflegen.

Anspruch auf körperliche Unversehrtheit

Ein solcher Zwang wäre in der Schweiz vom Epidemiengesetz her möglich. Der politische Verzicht darauf wird meist damit begründet, dass dadurch die bestehende Personalknappheit verschärft würde. Angesichts der Impfrate der Ärzteschaft von etwa 81 Prozent und der Pflegfachpersonen von ca. 60 Prozent ist dieses utilitaristische Argument plausibel. Gleichwohl kann auch für die Impfpflicht des Gesundheitspersonals utilitaristisch argumentiert werden, dass mit einer immer wieder erneuerten, seriellen Impfung schwerwiegende Verläufe und Erkrankungen und damit langfristiger Personalausfall verhindert werden könnten. Dies würde bedeuten, dass das Gesundheitspersonal im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eine erhöhte Verantwortung auch betreffend Selbstschutz hätte. Folglich könnte man auch vom Gesundheitspersonal verlangen, dass es z. B. keine Risikosportarten betreibt oder nicht Auto fährt. Gegen solche Argumente steht der verfassungsmässig garantierte Grundanspruch jedes Menschen auf physische, psychische und soziale Integrität. Damit einher geht der Anspruch auf Wahlfreiheit. Dieser darf nur bei masiver Fremdgefährdung relativiert werden, wenn z. B. Menschen im Gefängnis oder in der Psychiatrie untergebracht werden. Mit derart erhöhten Ansprüchen an das Gesundheitspersonal würde sich aber die Personalknappheit mit Sicherheit verschärfen.

Auch Geimpfte treiben die Pandemie

Auch zu beachten sind aktuelle Erkenntnisse bzgl. der Übertragbarkeit des Virus, welche am 20. November 2021 in The Lancet online publiziert worden sind. Demnach tragen auch geimpfte Personen massgeblich zur Verbreitung von COVID-19 bei. Das Argument, wonach geimpftes Personal gegenüber den ihnen anvertrauten Menschen epidemiologisch verantwortlicher handelt als nicht geimpftes, trägt damit nicht mehr. Dies zeigen auch die Ansteckungs- und Übertragungsraten der Geimpften in der Omikronwelle. Diese neusten Erkenntnisse sprechen daher für eine verstärkte Testpflicht und das Einhalten der Hygieneregeln für das gesamte Gesundheitspersonal, geimpft oder nicht geimpft.

   

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