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13. Februar 2024

BACKGROUND

PZM Psychiatriezentrum Münsingen AG

Nachhaltige Transformation mit PREMs und PROMs

PREMs und PROMs sind zentral in der Arbeit von Gesundheitsorganisationen. Der Einsatz dieser Instrumente beim PZM Psychiatriezentrum Münsingen zeigt vielversprechende Resultate auf.
Competence Andrew Rutsch

Autor

Dr.

Andrew Rutsch

Teamleiter Projekt- und Qualitätsmanagement, Gesundheitszentren für das Alter, Stadt Zürich

andrew.rutsch@zuerich.ch

Competence Philipp Mattmann

Autor

Dr.

Philipp Mattmann

Direktor Pflege und Bildung, PZM Psychiatriezentrum Münsingen AG

philipp.mattmann@pzmag.ch

In unserer Arbeit beim PZM Münsingen haben wir festgestellt, dass im eigenen Haus – wie auch in der Schweizer Psychiatrie – viele Qualitätsmanagement-Zahlen, Daten und Fakten (ZDF) erhoben werden, diese aber am Ort der effektiven Wertschöpfung im Patientenprozess wenig genutzt werden. Es entstehen Datenfriedhöfe. Gleichzeitig haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir die Vorgabe der neuen Qualitätsstrategie des Bundesamts für Gesundheit (BAG) vom März 2022 umsetzen: Den Einsatz von Patient Reported Experience Measures (PREMs) und Patient Reported Outcome Measures (PROMs) für eine bessere Abstimmung der Leistungserbringung auf die Präferenzen, Bedürfnisse und Werte der Patient:innen und gleichzeitig die Stärkung einer evidenzbasierten Praxis.

Die Stationen nehmen das Steuerrad in die Hand

Darüber hinaus wollen wir einen Beitrag leisten, wie das Grundsatzthema Qualität mit den Grundsatzthemen Wirtschaftlichkeit und Eigene Resilienz verknüpft werden kann. Angesichts des Kostendrucks und der fortschreitenden Ökonomisierung sowie hoher Krankenstände und Fluktuationen im Gesundheitswesen wollen wir den Elefanten im Raum damit gezielt und nachhaltig «anpacken». Aus dieser «Elefantenlenkung» ist unser dezentrales Selbstwirksamkeitskonzept Max und Anna entstanden (siehe Grafik).

PREMs und PROMs werden eingesetzt für eine bessere Abstimmung der Leistungserbringung auf die Präferenzen, Bedürfnisse und Werte der Patient:innen.

Ein Ansatz, den wir aktuell in vier Organisationsbereichen im PZM Münsingen pilotieren und umsetzen. Mit diesem Konzept werden die Stations- und Bereichteams innerhalb klarer Leitplanken in ihrer Bewusstheit und Selbstwirksamkeit gestärkt und befähigt, so dass sie im Patientenprozess im Rahmen eines nachhaltigen Führungswandels das Steuer punkto Qualität, Wirtschaftlichkeit und eigene Resilienz in die Hand nehmen. Dies auf der Basis von wenigen, dafür aber aussagekräftigen und verknüpften Daten.

Dezentrales Selbstwirksamkeitskonzept Max und Anna innerhalb klarer Leitplanken (Grafik: zvg/Psychiatriezentrum Münsingen AG).

Den Fokus auf das Wesentliche und das Entscheidende lenken

Max und Anna sind fiktive Patienten-Personas aus dem Design Thinking (Gestaltendes Denken). Design Thinking als Haltung und Methodik zielt auf eine innovative und nachhaltig transformative Problemlösung ab. Max und Anna helfen unseren Stationen und Bereichen, sich in ihrer Arbeit vor Ort auf das, was wesentlich und entscheidend ist, zu konzentrieren und damit Kraft und Energie einzusparen. Die Kräfte werden gebündelt und vorhandene Friktionen und Konflikte zwischen den Berufsgruppen können reduziert werden. Konkret wird der Fokus auf die folgenden drei Lösungskomponenten gelegt:

  • Auf die Ergebnisse, die sie bewusst steigern und auf die Ergebnisse, die sie bewusst und gezielt reduzieren wollen (siehe rote Pfeile in der Grafik): Im Zentrum steht die positive Verän­­derung des Gesundheitszustands der Patient:innen als Grundauftrag. Hier kommt die Brief Symptom Checklist (BSCL) als PROM und Standard des nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ) zum Einsatz, eine Selbstbeurteilung der Symptombelastung beim Eintritt und beim Austritt aus der Klinik als Grundlagenbasis. Dieser PROM wird ergänzt durch weitere zentrale Ergebnis­messgrössen in den Kategorien Patient:innen, Mitarbeitende und Wirtschaftlichkeit (z. B. Behandlungsdauer).

Eine Kultur der Selbstwirksamkeit, der Offenheit und Entschlossenheit wird gefestigt und verstärkt.

  • Für eine bessere Steuerung und Lenkung dieser Ergebnisse helfen uns Max und Anna nun, den Fokus auf die dafür notwendige, vorgängige Prozess- und Beziehungsgestaltung mit den Patient:innen ab Eintritt in die Klinik bis zum Austritt zu lenken. Hier setzen wir auf Patient:innen-Schlüsselmomente als PREMs, das heisst auf positive und negative Pa­tient:innen-Erfahrungen. Dies ist ein vielversprechendes Konzept und schafft ein sehr produktives Spannungsfeld. Warum? Weil damit positive Erfolgsfaktoren daraus gezielt abgeleitet und verstärkt sowie negative und destabilisierende Faktoren gezielt korrigiert werden können.
  • Diese Schlüsselmomente werden nun in Kombina­tion mit den Verlaufskurven der definierten Ergebnismessgrössen auf einem Qualitätsmanagementboard aufbereitet und verknüpft sowie im Team regelmässig besprochen und fokussiert reflektiert. Diese Praxis erlaubt es, Verbesserungsmassnahmen, die die Wertschöpfung in diese produktivere Richtung steigern, abzuleiten, zu priorisieren und umzusetzen. Eine Kultur der Selbstwirksamkeit, der Offenheit und Entschlossenheit wird damit gefestigt und verstärkt.

Das wichtigste Ziel überhaupt ist es, dass die verschiedenen Berufsgruppen produktiv zusammengebracht werden.

  • Schliesslich helfen Max und Anna uns auch, die gemeinsame Haltung hinter dieser Praxis gezielt zu stärken. Haltung verstehen wir als den Fokus oder die «Haltung des Steuerrads» im gemeinsamen Fahrzeug. Wenn Sie Ihr Fahrzeug – Ihre Station, Ihren Bereich oder Ihre Klinik – steuern, haben Sie ein Ziel, eine Destination. Sie wissen, wohin Sie wollen, oder? Aber teilt das Ihr Team mit Ihnen? Dies ist das gemeinsame Warum: Das wichtigste Ziel überhaupt, das die verschiedenen Berufsgruppen produktiv zusammenbringt und durch diese PREM-und PROM-Integration konkret runtergebrochen und für alle beteiligten Personen konkret messbar und vor allem handhabbar gemacht wird.

Ergebnisse und Diskussion

Die Erfahrungen mit diesem personenzentrierten und dezentralen PREMS- und PROMs-Ansatz am Ort der effektiven Wertschöpfung sind eindrücklich und ermutigend. Das beteiligte Fachpersonal ist immer wieder überrascht, was für Erkenntnisse sie durch die Schlüsselmoment-Erfassung gewinnen und wie sie dadurch eine grössere Wirkung bei den Patient:innen erzielen können. Damit gewinnt ihre Arbeit an Sinnhaftigkeit. Wie zum Beispiel beim Fall einer Patientin, die bei einem Schlüsselmoment-Gespräch ihre Besorgnis zur Betreuung ihrer Kinder während ihrem Klinikaufenthalt äusserte, was für sie eine grosse Belastung war. Das Fachpersonal konnte in der Folge seine Hilfe dazu anbieten und regelmässig die Patientin darauf ansprechen. Die Folge: Die Patientin konnte sich entspannen und fühlte sich sicher und vertrauensvoll aufgehoben. Dies ist entscheidend für den Behandlungserfolg.

Die Patient:innen und die für sie zentralen Ergebnisse werden gestärkt.

Die Implementierung von Max und Anna als Pilot- und Umsetzungskonzept zeigt folgende erste Resultate auf:

  • Team- und Kulturbildung: Die eindrücklichen Schlüsselmomente machen etwas mit den beteiligten Personen. Sie stärken die Empathie und sind transformativ.
  • Stärkung des gemeinsamen Kompasses: Die Patient:innen und die für sie zentralen Ergebnisse werden gestärkt.
  • Prävention: Die Patient:innen und Bewohner:innen können auf diese Weise vertrauensvoll verbalisieren, was für Sie persönlich sehr wichtig ist. Der Einsatz von bewegungseinschränkenden und Zwangsmassnahmen, ein notwendiger Teil in psychiatrischen Kliniken, kann damit reduziert werden.

Schlussfolgerung

Mit diesem integralen Ansatz wird die Basis für Qualität, Wirtschaftlichkeit und die Eigene Resilienz geschaffen. Unsere Teams lernen damit strukturiert und bewusst, die schon lange geforderte nutzenbasierte Gesundheitsversorgung umzusetzen, indem sie in sinnvollen Patient:innen- und weiteren Ergebniskategorien in Relation zu den Kosten konsequent zu denken und handeln lernen. Wir können damit Menschen und Teams stärken und entwickeln, die selbstverantwortlich, engagiert und mitunternehmerisch im Sinne des Unternehmensauftrags handeln.

Durch eine bewusste und verknüpfte Datenpraxis können wir einen Beitrag leisten an ein stabiles Fundament, das ein prosperierendes Gesundheitswesen langfristig trägt und unterstützt.

Darüber hinaus wird mit diesem strukturell und kulturell transformativen Ansatz der Wandel von einer traditionell «Von oben herab»-Führung mit steilen Hierarchien und Silos im Gesundheitswesen hin zu einer demokratischeren, modernen und zeitgemässen Führung beschleunigt. Von einer Führung, die vielerorts von den Mitarbeitenden bis jetzt nicht erwartet hat, aktiv mitzudenken und mitzuhandeln hin zum Vorleben und zur Stärkung von gemeinsamen Grundwerten wie Klarheit, Transparenz und aktive Teambeteiligung sowie der eigenen Sinnhaftigkeit, menschlich wie auch betriebswirtschaftlich. Durch eine solche bewusste und verknüpfte Datenpraxis können wir einen Beitrag an ein stabiles Fundament leisten, das ein prosperierendes Gesundheitswesen langfristig trägt und auch unterstützt.

   

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