Seit dem 1. November 2021 bietet das Spital Zollikerberg mit dem Zusatzangebot «Visit – Spital Zollikerberg Zuhause®» akut erkrankten Patient:innen die Möglichkeit, in den eigenen vier Wänden statt auf der Spitalstation behandelt zu werden, wenn die Umstände dies zulassen. Die Patient:innen erhalten zu Hause die gleiche Betreuung wie während der Akutphase im Spital.
Mit «Visit» setzt das Spital Zollikerberg als erstes Spital in der Schweiz einen Hospital-at-Home-Ansatz in der Akutsomatik in die Praxis um. Im Zentrum stand die Frage, ob sich das in mehreren Ländern erfolgreiche Modell einer Patientenversorgung zu Hause auch in der Schweiz etablieren lässt und ob ein entsprechender Bedarf besteht. 2019 wurde aus der Idee ein Projekt mit dem Ziel, die stationäre Behandlung zu Hause zu testen und ihre Wirksamkeit im Vergleich zur Spitalbehandlung zu evaluieren. Im Ausland zeigten sich verschiedene Vorteile, wie etwa eine Abnahme spitalspezifischer Komplikationen und ein Beitrag zu einer schnelleren und nachhaltigeren Genesung. Diese Erkenntnisse waren auch die Beweggründe für «Visit».
Das Projekt startete schliesslich 2021 in der Klinik für Innere Medizin des Spitals Zollikerberg und am Institut Neumünster. Ein interprofessionelles Behandlungsteam, bestehend aus Ärzt:innen, Pflegefachkräften, Physiotherapeut:innen und weiteren Fachleuten, begann, die Patient:innen zu Hause zu betreuen.
«Visit» ist über den Tellerrand hinaus gedacht und trägt wesentlich zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung bei. Wir können die Menschen befähigen, sich selbst zu helfen.
Gwen Gehrecke, Pflegeexpertin, Spital Zollikerberg
Heute zeigen erste Zahlen des Instituts Neumünster folgende Ergebnisse: Die Patient:innen genesen im Vergleich zur im Spital behandelten Kontrollgruppe schneller, kehren nach der Entlassung deutlich seltener ins Spital zurück und sind sehr zufrieden mit dem Angebot. Daheim sind die Patient:innen gut mit der Umgebung vertraut und bewegen sich bis zu zehn Mal mehr als im Spital. Das unterstützt die Genesung.
Dr. med. Elisa Heising, Oberärztin an der Klinik für Innere Medizin, erklärt: «Die Patient:innen kommen über die Notfallstation zu uns. Hier nutzen wir die an das Spital gebundenen Ressourcen wie Röntgen, CT/MRT, Labor oder Spezialistenkonsilien, machen die notwendigen Abklärungen und erstellen den Behandlungsplan. Danach prüfen wir, ob die Patient:innen zu Hause behandelt werden können. Ausschlaggebend sind der Schweregrad ihrer Erkrankung, ihr Allgemeinzustand und die Durchführbarkeit der nötigen Therapien zu Hause. Stimmen die sozialen Bedingungen? Sind die Patient:innen in der Lage, sich selbst zu versorgen oder haben sie unterstützende Angehörige? Wenn alle Kriterien erfüllt sind und die Patient:innen einwilligen, organisieren wir den Transport nach Hause und die Behandlung zu Hause kann beginnen». Ähnlich wie bei der stationären Behandlung im Spital, führen bei «Visit» Ärzt:innen und Pflegende regelmässig Visiten zu Hause durch. Therapeutische Dienste wie Physiotherapie können bei Bedarf einbezogen werden.
Es gibt aber auch Grenzen bei der Umsetzung von «Visit»: Sobald der Gesundheitszustand der Patient:innen instabil wird oder die Bereitschaft fehlt, den medizinischen Empfehlungen zu folgen, müssen die Patient:innen im Spital behandelt werden.
Bis heute konnten bereits deutlich über 100 Patient:innen im Alter von 18 bis 93 Jahren mit «Visit» betreut werden. Die Implementationsforschung des Instituts Neumünster zeigt, dass die Patient:innen und ihre Angehörigen ausserordentlich zufrieden mit dem Behandlungskonzept sind: Die Patient:innen vergeben durchschnittlich 5,83 von 6,00 Punkten, die Angehörigen 5,79 von 6,00. 93,1 Prozent aller Patient:innen würden sich wieder für eine spitaläquivalente Behandlung zu Hause entscheiden. Die Daten des Instituts Neumünster zeigen zudem, dass die Patient:innen es schätzen, während der Behandlung in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben und von ihren Partner:innen, Angehörigen oder Kindern umgeben zu sein. Die Qualität der Versorgung wird ebenfalls sehr positiv bewertet, weshalb zahlreiche Patient:innen sich wünschen, dass «Visit» als festes Angebot etabliert wird.
Auch bei den medizinischen Fachkräften des Spitals Zollikerberg erfreut sich «Visit» grosser Beliebtheit und wird als innovative Ergänzung zum stationären Arbeitsalltag wahrgenommen. Pflegeexpertin Gwen Gehrecke: «‹Visit› ist über den Tellerrand hinaus gedacht und trägt wesentlich zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung bei. Wir können die Menschen befähigen, sich selbst zu helfen. Das finde ich grossartig; die individuelle Betreuung zu Hause schätze ich sehr».
Um die Zukunft des Projekts «Visit» zu sichern, besteht derzeit der dringende Bedarf nach einem spitalähnlichen Finanzierungsmodell, das mit einem realistischen Ansatz definiert ist und eine Beteiligung sowohl der Krankenkassen als auch des Kantons vorsieht. Die Projektleitung ist sehr dankbar für die grosszügige Unterstützung durch die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich und die Stiftung Diakoniewerk Neumünster – Schweizerische Pflegerinnenschule, die es aktuell ermöglicht, «Visit» weiterzuführen. Es ist jedoch entscheidend, dass schnellstmöglich ein Finanzierungsmodell definiert wird.
Im September 2022 wurde «Visit – Spital Zollikerberg Zuhause®» mit dem CSS Quality Crystal Award «Home Care» ausgezeichnet, bereits 2021 auch mit dem Innovationspreis des Gesundheitsnetzes 2025. Diese Anerkennungen unterstreichen die wegweisende Rolle von «Visit» im Gesundheitswesen. Ziel und Vision von «Visit» sind klar: Das Projekt soll auch in der Politik Fuss fassen und sich bald als festes Angebot etablieren, um die stationäre Spitalbehandlung zu ergänzen und einen bedeutsamen Beitrag zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu leisten.
Beitragsbild: Nicolas Zonvi für das Spital Zollikerberg