Die Einführung des elektronischen Patientendossiers (EPD) beschäftigt in der Schweiz seit vielen Jahren Politik, Technologieanbieter, Berater, Patientenorganisationen und Leistungserbringer. Das EPD soll ein Meilenstein im bisher durch mangelnde Digitalisierung geprägten Gesundheitswesen werden. Die Rehaklinik Bellikon bereitete sich frühzeitig darauf vor, das EPD einzuführen und verfolgte dabei folgende Ziele:
Dabei berücksichtigte die Klinik folgende Stossrichtungen:
Die Akteure der Rehaklinik Bellikon sind sich bewusst, dass die Digitalisierung nicht ausschliesslich die Informatik, sondern gleichermassen auch die Organisations-, Kultur- und Kompetenzentwicklung betrifft.
Zunächst führte die Klinik im ersten Halbjahr 2019 einen EPD-Readiness-Check durch. Dabei wurde die vorhandene Systemarchitektur untersucht und eine sinnvolle Umsetzungsvariante erarbeitet. Dieser Check liess erkennen, dass die technologische Basis der Klinik gut ist und eine technische Anbindung an die Stammgemeinschaft-eHealth Aargau (STeHAG) mit der eHealth-Plattform der Schweizerischen Post gesetzeskonform umgesetzt werden kann. Daher strebte die Klinik an, das EPD in einer integrierten Version über das System «health engine» der Firma «the i-engineers» einzuführen.
Zur Strukturierung der nachfolgenden Konzeptphase kam ein EPD-Prozessplan zur Anwendung. Die einzelnen Themen wurden in Teilprojekte eingeordnet (siehe Grafik 1).
Weil dieser Prozess für alle Mitarbeitenden neu war, wählte die Klinik ein workshopbasiertes Vorgehen, an dem alle Anspruchsgruppen vertreten waren. Ein zentraler Entscheid war dabei, die Empfehlung für eine integrierte Lösung aus dem Readiness-Check umzusetzen (siehe Grafik 2). Für die Rehaklinik Bellikon war ein potenzieller langfristiger Nutzen zur Unterstützung der Digitalisierung der Klinik klar ersichtlich.
Die auf der health-engine-Plattform basierende integrierte Lösung ermöglicht es, dass die behandlungsrelevanten Daten aus dem EPD direkt in die elektronische Krankengeschichte integriert werden, sofern der Patient vorher in seinem EPD die entsprechenden Berechtigungen erteilt hat. Das Herunterladen der Daten erfolgt manuell und direkt im Kliniksystem, über den EPD-Connector. Werden behandlungsrelevante Informationen aus dem EPD des Patienten heruntergeladen, stehen sie anschliessend den berechtigten Fachpersonen in gleicher Form zur Verfügung wie andere Patientenakten, beispielsweise eingescannte Dokumente.
Am Ende eines Rehabilitationsaufenthalts werden die behandlungsrelevanten Informationen, welche in der Klinik generiert wurden, standardisiert und automatisch in das EPD hochgeladen, sofern der Patient dies nicht ausdrücklich untersagt. Zusätzliche Dokumente können in Absprache mit dem Arzt oder Patienten hochgeladen werden. Ein weiterer Vorteil der integrierten Lösung besteht darin, dass Patientendokumente direkt dem richtigen Patienten zugeordnet werden, da kein Umweg über das EPD-Webportal nötig ist. Die Nutzenden müssen also kein weiteres System mit aufwendiger Anmeldung, Suchen des Patienten etc. bedienen. Hinzu kommt, dass bei der Einstellung von Mitarbeitenden, beispielsweise von Gesundheitsfachpersonen, die Rollenzuteilung direkt im Datenmanagementsystem der Klinik über die «health engine» und nicht über die EPD-Plattform erfolgt. Dadurch reduziert sich der Arbeitsaufwand. Dies gilt auch beim Austritt von Mitarbeitenden aus der Klinik.
Ergänzend setzte die Klinik die folgenden Konzeptentscheide um:
Ein wichtiger Aspekt des Projekts stellte die interne Kommunikation dar, v. a. aufgrund der grossen zeitlichen Verzögerung im nationalen EPD-Einführungsprozess. Die Klinik informierte regelmässig auf unterschiedlicher Stufe über den Projektfortschritt, damit bei den Mitarbeitenden das Thema EPD nicht in Vergessenheit geriet. Dazu richtete die Klinik auf dem Intranet eine eigene EPD-Seite ein.
Die Rehaklinik Bellikon profitierte von der Vorreiterrolle der SteHAG im Kanton Aargau und konnte die integrierte EPD-Lösung im Mai 2021 umsetzen. Für die Einführung des EPD hat die Klinik insgesamt viel investiert, um eine möglichst hohe Benutzerfreundlichkeit zu erreichen.
Die stetig neuen externen Anforderungen und die zeitlichen Verzögerungen im nationalen EPD-Prozess haben die Aufwände jedoch zusätzlich erhöht. Langfristig betrachtet ist man in der Klinik trotz dieser hohen Investitionen nach wie vor vom EPD überzeugt. Die Bürgerinnen und Bürger sind dazu eingeladen, möglichst zahlreich ein EPD zu eröffnen. Damit die Rehaklinik Bellikon als Leistungserbringerin künftig vom EPD profitieren und gleichzeitig den Patientinnen und Patienten einen Mehrwert anbieten kann, werden Zusatzdienstleistungen wie eMedikation oder eAustrittsbericht von zentraler Bedeutung sein.