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14. Februar 2023

Background

Arbeitsatmosphäre

Wie psychologische Sicherheit die Unternehmenskultur stärkt

Trauen Sie sich, an Ihrem Arbeitsplatz Kritik zu üben und abweichende Meinungen zu äussern? Wenn ja, dann arbeiten Sie an einem Ort, an dem es psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz gibt.
Competence Rudolf Wartmann

Autor

Rudolf Wartmann

Berater im Gesundheitswesen

ruediwartmann@bluewin.ch

In vielen Unternehmen herrscht eine Atmosphäre negativer Energie bzw. von Unzufriedenheit oder Misstrauen. Was sind die Auswirkungen? Gute Leistungen der Mitarbeitenden nehmen kontinuierlich ab, sie beschweren sich oft, haben innerlich gekündigt oder verlassen das Unternehmen.

Eine hohe Fluktuationsrate in Unternehmen ist oft ein ernst zu nehmendes Warnsignal. Die Gespräche unter den Angestellten sind von einer negativen Dominanz geprägt. Kritiken, Klatsch, Disharmonie, abnehmende Kooperationen bis hin zu Mobbing und weiteren bedenklichen Faktoren belasten die psychologische Sicherheit in einem Betrieb. Dies ist mit Sicherheit kein Ort für Innovation, Kreativität oder Entwicklung.

Jedes Mitglied fühlt sich gehört und gesehen und kann ohne Angst vor negativen Konsequenzen seine Meinung äussern – das ist psychologische Sicherheit.

Ursachen für negative Energie

Die Ursachen dieser Dissonanz müssen auf jeden Fall differenziert analysiert werden und stellen eine grosse Herausforderung für das betroffene Unternehmen dar. Wichtige Gründe sind mangelnde Anerkennung, fehlendes Lob, keine oder nur eine unterschwellig funktionierende Fehlerkultur. Ängste werden geschürt. Eine autokratische Hierarchie beziehungsweise ein Top down-Prinzip begünstigen dies. Man wird nicht oder zu wenig ernst genommen. Die Arbeit wird zur Last oder der Sinn der Tätigkeit wird hinterfragt. Unternehmensziele und -werte existieren kaum oder werden schlecht oder nicht für jedermann verständlich kommuniziert. Grabenkämpfe, Rivalitäten zwischen Führungskräften finden auf allen Hierarchieebenen statt. Probleme werden nicht offen diskutiert oder werden gar nicht erwähnt.

Ein Instrument, einen anderen Weg einzuschlagen ist, die «psychologische Sicherheit» im Team zu fördern. Auf der einen Seite liegt es in der Verantwortung von Führungskräften, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. Auf der anderen Seite liegt es in der Verantwortung jedes Mitgliedes, zur psychologischen Sicherheit beizutragen.

Wichtige Ursachenforschung

Eine Kultur kann nicht von Grund auf neu aufgesetzt werden. Zunächst ist herauszufinden, was nicht gut läuft. Dies können leitende Führungskräfte oder die Geschäftsleitung übernehmen. Sie analysieren die Kultur und machen sich Gedanken, wie die Kultur einer Organisation ausgerichtet und verändert werden kann. Leider sind jedoch leitende Führungskräfte (und auch die Personalabteilung) oft nicht sehr empfindsam, wenn es darum geht, Gefühle der Mitarbeitenden und kulturelle Hindernisse zu verstehen.

Es ist hilfreich, mittels Umfragen oder persönlichen Gesprächen bei den Mitarbeitenden Feedbacks einzuholen. In Fokusgruppen und/oder Workshops können sich Mitarbeitende treffen, um die wichtigsten Probleme zu analysieren und zu diskutieren. Auf diese Weise trägt der Veränderungsprozess dazu bei, Vertrauen und Engagement aufzubauen. Der Inbegriff von psychologischer Sicherheit ist: Jedes Mitglied fühlt sich gehört und gesehen und kann ohne Bedenken vor negativen Konsequenzen seine Meinung äussern. Dies ist der vermutlich wichtigste Faktor für jedes Mitglied in einem Unternehmen und fördert eine gesunde Weiterentwicklung eines jeden einzelnen Individuums und die Team-Resilienz.

Messung des Ist-Zustandes

Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School, hat einen kurzen Fragebogen entwickelt, der es jedem Team ermöglicht, den aktuellen Zustand der psychologischen Sicherheit zu messen. Sinnvollerweise füllen alle Teammitglieder den Fragebogen aus, danach bespricht man im Team die gemeinsamen Ergebnisse. Zu besprechende Punkte sind:

  • Wenn du in diesem Team einen Fehler machst, wird das oft gegen dich verwendet.   
  • Mitglieder dieses Teams sind in der Lage, Probleme und schwierige Themen anzusprechen.
  • Personen in diesem Team lehnen manchmal andere dafür ab, dass sie anders sind.
  • Es ist sicher, ein Risiko in diesem Team einzugehen (Erläuterung zum Begriff «Risiko»: Gemeint ist ein soziales Risiko, z. B. eine ungewöhnliche Idee vorzustellen, ohne zu wissen, wie die anderen Teammitglieder darauf reagieren.).    
  • Es ist schwierig, andere Teammitglieder um Hilfe zu bitten. 
  • Niemand in diesem Team würde absichtlich auf eine Art handeln, die meine Anstrengungen untergräbt. 
  • In der Zusammenarbeit mit den Mitgliedern dieses Teams werden meine einzigartigen Skills und Talente geschätzt und genutzt.

Jede Frage wird auf einer Skala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 5 (stimme völlig zu) bewertet. Die Fragen messen die folgenden vier Dimensionen:

  • Hilfsbereitschaft und Teamfähigkeit
  • Inklusion und Diversität
  • Einstellung zu Risiko und Misserfolg
  • Offene Kommunikation

Diese Selbstbeurteilung ist ein guter Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung der psychologischen Sicherheit.

Wie entsteht psychologische Sicherheit in Teams?

Bevor psychologische Sicherheit in Teams entstehen kann, muss dies zuerst bei jedem Einzelnen geschehen. Nachfolgende Liste gibt Hinweise, wie psychologische Sicherheit gefördert werden kann:

  • Die eigene Meinung offen äussern können;
  • alle sprechen gleich viel;
  • nach Hilfe fragen dürfen und das gemeinsame «Wir» in einem Team aufbauen;
  • soziale Empathie muss vorhanden sein;
  • Fehler offenlegen, besprechen und daraus lernen;
  • individuelle Stärken, Talente und Fähigkeiten werden geschätzt;
  • gegenseitige Wertschätzung bereitet den Boden;
  • psychologische Sicherheit muss bei jedem Einzelnen geschehen.

Mehr zum Thema

  • Ina Goller und Tanja Laufer; Psychologische Sicherheit / Wie Hochleistungsteams wirklich funktionieren / Springer-Gabler Verlag 2018
  • Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School; diverse Artikel zum Thema «Psychological Safety», amycedmondson.com
  • Adam Grant; Think Again. Die Kraft des flexiblen Denkens, Piper Verlag 2022
  • Ein Trainingsprogramm zur Steigerung der psychologischen Sicherheit: psych-safety.org
  • Christoph Schmitz, Maurizio Trippolini, Peter Berchtold; Feedback(-Kultur) und ­psychologische Sicherheit
  • Schweiz Ärzteztg. 2021;102(24):822-824

Beitragsbild: Canva.com

   

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